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Schlafstörungen

Das Schichtarbeitersyndrom: Wenn die innere Uhr verrückt spielt

Schichtarbeit ist für viele Menschen ein notwendiger Teil des Berufslebens. Ob in der Krankenpflege, im Handel oder in der Produktion, Schichtarbeiter sind rund um die Uhr im Einsatz. Schichtarbeit ist manchmal unvermeidlich, bringt aber auch eine Herausforderung mit sich, die als „Schichtarbeitersyndrom“ bekannt ist. In diesem Artikel werden wir das Schichtarbeitersyndrom genauer untersuchen und herausfinden, wie es die Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen beeinflusst.

Was ist das Schichtarbeitersyndrom?

Das Schichtarbeitersyndrom, auch als „Schichtarbeiterkrankheit“ bezeichnet, ist ein Begriff, der die negativen Auswirkungen von Schichtarbeit auf die Gesundheit beschreibt. Schichtarbeiter sind gezwungen, außerhalb der traditionellen Tageszeit zu arbeiten, was ihre natürlichen Schlaf-Wach-Zyklen stört. Das kann zu einer Vielzahl von gesundheitlichen Problemen führen. Der Körper verfügt über eine innere Uhr, die seinen Schlaf-Wach-Rhythmus regelt. Diese Uhr richtet sich normalerweise nach dem natürlichen Tageslicht, wodurch wir tagsüber aktiv und nachts müde sind. Schichtarbeiter zwingen ihren Körper jedoch, gegen diese innere Uhr zu arbeiten, indem sie während der Nacht oder in wechselnden Schichten aktiv sind. Dies kann zu einer Dysregulation der biologischen Uhr führen.

Schichtarbeit kann schwerwiegende gesundheitliche Probleme verursachen. Dazu gehören Schlafstörungen wie Schlaflosigkeit und unruhiger Schlaf. Die Betroffenen haben oft Schwierigkeiten, sich auszuruhen und fühlen sich ständig müde. Dieser chronische Schlafmangel kann zu Erschöpfung, verminderter Konzentration und einem erhöhten Unfallrisiko am Arbeitsplatz führen. Darüber hinaus besteht ein Zusammenhang zwischen Schichtarbeit und verschiedenen Gesundheitsproblemen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Übergewicht und sogar bestimmten Krebsarten. Die gestörte innere Uhr kann den Hormonhaushalt beeinflussen und Entzündungsprozesse im Körper verstärken.

Symptome und Ursachen

Die beiden Hauptsymptome des Schichtarbeitersyndroms sind Schlaflosigkeit (Insomnie) und Schlafsucht (Hypersomnie).

Schlaflosigkeit bedeutet Schwierigkeiten beim Einschlafen und/oder Durchschlafen. Sie betrifft Menschen mit Schichtarbeitersyndrom in der Regel unterschiedlich, je nachdem, wann sie arbeiten. Menschen, die zwischen 4 und 7 Uhr morgens arbeiten, haben zum Beispiel oft Probleme beim Einschlafen, während jene, die abends arbeiten, eher Probleme haben, durchzuschlafen.

Hypersomnie ist übermäßige Schläfrigkeit zu unerwünschten Zeiten. Dies tritt häufig auf, wenn eine Person mit Schichtarbeitersyndrom in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden arbeitet. Dies kann gefährlich sein und sowohl die Arbeitsleistung als auch die Verkehrssicherheit beeinträchtigen.

Weitere Symptome sind Konzentrationsschwierigkeiten, Kopfschmerzen, Energiemangel, verminderte Aufmerksamkeit, schlechte Laune und Reizbarkeit.

Schichtarbeitersyndrom: Ursachen

Diese Symptome sind das Ergebnis einer Diskrepanz zwischen der inneren Uhr des Körpers und der äußeren Umgebung, die den Zeitpunkt und die Dauer des Schlafs beeinflusst. Normalerweise wird die innere Uhr während eines 24-Stunden-Tages durch den visuellen Reiz des Lichts, insbesondere des Sonnenlichts, in Gang gesetzt. Das Licht wird über die Augen in ein „Kontrollzentrum“ im Gehirn geleitet. Dies führt zu einer Kettenreaktion von körperlichen Prozessen und Hormonen, die dem Körper signalisieren, dass es Zeit ist, aufzuwachen und den aktiven Tag zu beginnen.

Zwei Hormone, die für das Funktionieren der inneren Uhr wichtig sind, sind Melatonin und Cortisol. Melatonin ist ein natürliches Hormon, das beim Schlaf eine Rolle spielt. Die Zirbeldrüse im Gehirn schüttet nachts (bei Dunkelheit) die höchsten Melatoninmengen aus, tagsüber (bei Licht) nur geringe Mengen. Der natürliche Gegenspieler von Melatonin ist Cortisol, ein Hormon, das von der Nebenniere produziert und ausgeschüttet wird. Normalerweise ist der Cortisolspiegel abends vor dem Schlafengehen niedriger und morgens vor dem Aufwachen höher. Cortisol hat noch einige andere wichtige Funktionen außerhalb des zirkadianen Rhythmus.

Bei Menschen, die in Schichten arbeiten, stimmen die Melatonin- und Cortisolwerte nicht mit den Wach- und Schlafzeiten überein. Dies kann sich sowohl auf den Schlaf als auch auf die Wachsamkeit negativ auswirken. So sind Nachtschichtarbeiter häufig gezwungen tagsüber zu schlafen, wenn die wachmachenden Signale des Körpers am stärksten sind. Dies kann dazu führen, dass der Schlaf zu kurz ist und häufig unterbrochen wird. Nachtschichtarbeiter sind während der Arbeit oft schläfrig und müde, da ihr Melatoninspiegel dann am höchsten ist.

Diagnose und Behandlung

Ein wichtiger Teil der Diagnose ist das Führen eines Schlaftagebuchs. Der Arzt wird die betroffene Person wahrscheinlich bitten, mindestens zwei Wochen lang detaillierte Aufzeichnungen zu machen, wann sie einschläft und wann sie aufwacht, wie oft sie im Schlaf aufwacht, wie ausgeruht sie sich fühlt und Dinge, die den Schlaf stören können, wie zum Beispiel Koffeinkonsum und Lärmbelästigung.

Ein Schichtarbeitersyndrom wird in der Regel diagnostiziert, wenn die Symptome seit mindestens drei Monaten bestehen. Der behandelnde Arzt kann eine Schlafuntersuchung oder andere Tests durchführen, um sicherzustellen, dass die Symptome nicht auf eine andere Erkrankung, wie zum Beispiel Schlafapnoe, oder auf Nebenwirkungen von Medikamenten zurückzuführen sind. Zu den wichtigsten Behandlungsformen gehören Änderungen der Arbeitsroutine (falls möglich), Anpassungen der Schlafroutine zu Hause, Lichttherapie, Melatonin, Schlafmittel und wachmachende Medikamente.

Anpassungen bei der Arbeit

Ein Aspekt bei der Behandlung des Schichtarbeitersyndroms ist die Änderung des Zeitplans am Arbeitsplatz. Auch wenn ein vollständiger Verzicht auf Schichtarbeit oft keine Option ist, gibt es oft Möglichkeiten, den Zeitplan und die Umstände des Jobs etwas besser zu gestalten.

Hier einige allgemeine Tipps:

  • Wer tagsüber schlafen muss, sollte vermeiden, sich morgens dem Sonnenlicht auszusetzen. Es ist ratsam, eine Sonnenbrille zu tragen, wenn man nachhause fährt oder nach draußen geht.
  • Es wird empfohlen, die Anzahl der Nachtschichten, die hintereinander gearbeitet werden, nach Möglichkeit zu verringern. Schichtarbeiter, die in der Nachtschicht arbeiten, sollten die Anzahl der aufeinanderfolgenden Nachtschichten auf fünf oder weniger beschränken und dazwischen freie Tage einlegen. Bei Schichtarbeit in 12-Stunden-Schichten sollte darauf geachtet werden, maximal vier Schichten hintereinander zu arbeiten.
  • Nach einer Reihe von Nachtschichten sollte man mehr als 48 Stunden frei nehmen.
  • Es ist ratsam, verlängerte Schichten und übermäßige Überstunden zu vermeiden.
  • Arbeitsplätze mit langen Anfahrtswegen, die den Schlaf beeinträchtigen können, sollten nach Möglichkeit vermieden werden.
  • Es ist empfehlenswert, häufige Wechsel in den Arbeitsschichten zu vermeiden. Es ist in der Regel einfacher, über einen längeren Zeitraum dieselbe Schicht zu arbeiten.
  • Wenn möglich, sollte man vor oder während der Nachtschicht ein Nickerchen einplanen.
  • Die Aufnahme von mäßigen Mengen Koffein (z. B. Kaffee) ist ratsam, um während der Arbeit wach zu bleiben. Es ist wichtig, den Koffeinkonsum in den späteren Phasen der Schicht zu reduzieren, damit der Schlaf nicht beeinträchtigt wird, wenn es Zeit ist, ins Bett zu gehen.
  • Es sollte vermieden werden, in einem schläfrigen Zustand zu fahren. Wer zu müde ist, um nach der Schicht nach Hause zu fahren, sollte vorher ein Nickerchen machen oder eine andere Möglichkeit zur Heimfahrt finden.

Umstellung der Schlafroutine

Die meisten Schichtarbeiter schlafen ein bis vier Stunden weniger als Nicht-Schichtarbeiter. Es ist jedoch wichtig, dass sie mindestens sieben bis neun Stunden pro Tag schlafen. Wer Schichtarbeit leisten, sollte also dem Schlaf Priorität einräumen. Die folgenden Tipps können dabei helfen:

  • Es ist ratsam, sich an Schlafrituale zu halten und auch an Wochenenden und freien Tagen einen regelmäßigen Schlafrhythmus einzuhalten.
  • Familienmitglieder können gebeten werden, eine ruhige, dunkle und friedliche Umgebung für die Schlafenszeit zu schaffen.
  • Man könnte Familienmitglieder darum bitten, Kopfhörer zu tragen, wenn sie Musik hören, Videospiele spielen oder fernsehen.
  • Es ist hilfreich, Familienmitglieder dazu anzuhalten, laute Aktivitäten wie Staubsaugen, Geschirrspülen und ähnliches während des Schlafs zu vermeiden.
  • Ein „Bitte-nicht-stören“-Schild an der Haustür kann angebracht werden, damit Lieferdienste und Freunde nicht klopfen oder klingeln.
  • An freien Tagen sollte ausreichend geschlafen werden. Zudem ist eine gute Schlafhygiene wichtig, die das Erstellen eines Schlafplans sowie den Verzicht auf Koffein, Alkohol und Nikotin beinhaltet.

Lichttherapie

Die Lichttherapie ist eine nicht-medikamentöse und relativ sichere Methode zur Behandlung von Schlafstörungen im Zusammenhang mit Schichtarbeit. Sie zielt darauf ab, die biologische Uhr des Körpers neu zu kalibrieren, indem sie dem Körper gezieltes helles Licht zu bestimmten Zeitpunkten bietet. Bei der Lichttherapie wird eine spezielle Lichtbox oder Lampe verwendet, die helles, weißes Licht emittiert. Diese Lichtquelle sollte eine Intensität von mindestens 2.500 Lux haben.

Die Dauer variiert, liegt aber typischerweise zwischen 20 Minuten und einer Stunde. Es ist wichtig, dass die Lichttherapie regelmäßig und zur gleichen Zeit durchgeführt wird, um die gewünschten Effekte zu erzielen. Um die besten Ergebnisse zu erzielen, sollten Schichtarbeiter die Lichttherapie kontinuierlich und über einen längeren Zeitraum anwenden. Es kann einige Wochen dauern, bis spürbare Verbesserungen im Schlaf-Wach-Rhythmus eintreten.

Medikamente gegen Schichtarbeitersyndrom

Auch wenn es keine Medikamente gibt, die das Schichtarbeitersyndrom heilen können, so ist es doch möglich, zumindest die häufigsten Symptome wirksam zu behandeln.

  • Melatonin kann helfen, sich besser an einen Schichtarbeitsplan anzupassen. Obwohl viele Melatoninpräparate rezeptfrei erhältlich sind, sollte man vor der Einnahme einen Arzt konsultieren.
  • Ärzte können Schlafmittel verschreiben, die sehr zuverlässig zum gewünschten Zeitpunkt einschlafen lassen. Sie können kurzfristig helfen, besser zu schlafen, aber die langfristige Einnahme kann zur Abhängigkeit führen. Einige Schlafmittel haben auch unangenehme oder gefährliche Nebenwirkungen.
  • Stimulanzien können helfen, die Müdigkeit während der Schicht zu unterdrücken. Ein in diesem Zusammenhang häufig verschriebenes Medikament ist Modafinil. Stimulanzien können zwar helfen, die mit der Schläfrigkeit verbundenen Leistungsprobleme zu verbessern, sie sind jedoch kein Ersatz für ausreichenden Schlaf. Sie haben auch Nebenwirkungen und können zur Gewohnheit werden.

Leben mit Schichtarbeitersyndrom

Das Schichtarbeitersyndrom ist eine ernsthafte Herausforderung für Menschen, die außerhalb der normalen Arbeitszeiten arbeiten müssen. Es kann die Gesundheit beeinträchtigen und die Lebensqualität erheblich beeinflussen. Dennoch gibt es Strategien und Maßnahmen, die helfen können, die negativen Auswirkungen zu minimieren. Wenn Sie Schichtarbeiter sind, denken Sie daran, auf Ihre Gesundheit und Ihr Wohlbefinden zu achten und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um das Schichtarbeitersyndrom zu bewältigen.

Schichtarbeitersyndrom: weitere Informationen

 

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