Schlafwandeln
Schlafstörungen

Schlafwandeln: Ursachen, Symptome, Behandlung

Sie stehen auf, gehen durch das Haus, kochen sich ein Ei oder gehen sogar auf die Straße – und am nächsten Morgen erinnern Sie sich an nichts. Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) beschreibt Schlafwandeln als sich wiederholende Episoden komplexen Verhaltens im Schlaf.

Schlafwandeln, auch Somnambulismus genannt, ist eine Verhaltensstörung, die während des Tiefschlafs auftritt. Es tritt häufiger bei Kindern als bei Erwachsenen auf und ist wahrscheinlicher, wenn es eine familiäre Vorgeschichte, Schlafmangel oder eine Neigung zu wiederholtem nächtlichen Erwachen gibt. Unfälle während dieser Episoden können zu Verletzungen führen, und Schlafwandeln ist mit schlechterem Schlaf und Tagesmüdigkeit verbunden. Bei vielen Menschen ist eine aktive Behandlung nicht erforderlich, aber wenn die Episoden häufiger oder intensiver werden, können verschiedene Behandlungsmöglichkeiten hilfreich sein.

Was ist Schlafwandeln?

Das Schlafwandeln wird zur Gruppe der Schlafstörungen (Parasomnien) gezählt. Parasomnien sind unerwünschte Verhaltensweisen oder Symptome, die während des Schlafs oder im Übergang vom Schlaf zum Wachzustand auftreten. Parasomnien können danach unterschieden werden, in welchem Teil des Schlafzyklus sie auftreten. Schlafwandeln tritt während des Nicht-REM-Schlafs (NREM) auf. Normalerweise geschieht es im Tiefschlaf, der dritten Phase des Schlafzyklus. Zusammen mit anderen Parasomnien wie Pavor nocturnus und verwirrtem Erwachen wird das Schlafwandeln als NREM-Erregungsstörung klassifiziert.

Symptome

Es ist zu beachten, dass Schlafwandeln trotz des Namens nicht auf das Gehen beschränkt ist. Es kann verschiedene einfache oder komplexe Handlungen umfassen und von einigen Sekunden bis zu einer Stunde dauern, wobei die Betroffenen entweder verwirrt aufwachen oder von selbst ins Bett zurückkehren. Seltener kann das Verhalten auch heftiger oder komplexer ausfallen, wie zum Beispiel der Versuch, ein Auto zu fahren. Ein Anfall kann Folgendes beinhalten:

  • Herumgehen oder -laufen
  • Offene, glasige Augen mit leerem Gesichtsausdruck
  • Kaum ansprechbar oder undeutliche Sprache
  • Routinehandlungen wie Anziehen oder Möbelrücken
  • Sexuelle Handlungen (Sexsomnia)
  • Urinieren an unpassenden Stellen

Ein Schlüsselsymptom von NREM-Parasomnien ist, dass sich die Betroffenen nach dem Aufwachen praktisch nie an die Episode erinnern können. Aus diesem Grund erfahren sie meist von Familienmitgliedern oder Mitbewohner von ihrem Schlafwandeln. Ein weiteres gemeinsames Element der NREM-Parasomnien ist, dass sie typischerweise in der ersten Hälfte der Nacht auftreten, wenn die tiefen NREM-Schlafphasen vorherrschen.

Wie häufig ist Schlafwandeln?

Schlafwandeln ist bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen. Eine Langzeitstudie ergab, dass 29 % der Kinder im Alter von 2 bis 13 Jahren betroffen sind. Zwischen 10 und 13 Jahren ist die Häufigkeit am höchsten. Bei Erwachsenen wird die Prävalenz auf bis zu 4 % geschätzt.

Da sich die Betroffenen meistens nicht an die Episoden erinnern, ist es schwierig, die Häufigkeit genau zu bestimmen. Darüber hinaus wird Schlafwandeln in den Studien manchmal unterschiedlich definiert. Um diesen methodischen Schwierigkeiten Rechnung zu tragen, wurden in einer Meta-Analyse 51 separate Studien ausgewertet, die zu dem Schluss kamen, dass 5 % der Kinder und 1,5 % der Erwachsenen in den letzten 12 Monaten eine Episode erlebt haben.

Gefahren

Schlafwandeln kann schwerwiegende Folgen für die Gesundheit haben. Es kann zu Verletzungen kommen, wenn man beim Gehen oder Laufen stolpert, fällt oder an etwas stößt. Der unsachgemäße Umgang mit scharfen Gegenständen oder der Versuch, während eines Anfalls Auto zu fahren, kann lebensgefährlich sein. Gewalttätiges Verhalten ist selten, kann aber dem Schlafwandler selbst oder anderen Schaden zufügen. Handlungen während einer Schlafwandelepisode können auch peinlich sein. Betroffene schämen sich zum Beispiel für sexuell anstößiges Verhalten, aggressive Verhaltensausbrüche oder Urinieren an der falschen Stelle.

Studien haben gezeigt, dass Schlafwandler häufiger unter übermäßiger Tagesmüdigkeit und Schlaflosigkeit leiden. Es ist nicht bekannt, ob diese Probleme auf die eigentliche Störung durch das Schlafwandeln zurückzuführen sind oder ob es einen zugrunde liegenden Faktor gibt, der den Schlaf der Betroffenen beeinträchtigt und sie sowohl für Schlafwandeln als auch für Tagesmüdigkeit anfällig macht. Darüber hinaus kann Schlafwandeln Auswirkungen auf Bettgenossen, Familienmitglieder oder Mitbewohner haben. Die Episoden können deren Schlaf stören und sie auf vielfache Weise negativ beeinflussen.

Schlafwandeln: Ursachen

Schlafwandeln tritt meist dann auf, wenn jemand in einer Tiefschlafphase durch äußere Störfaktoren unvollständig geweckt wird. Die Wahrscheinlichkeit eines unvollständigen Erwachens hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • Genetik und Familiengeschichte: Studien zeigen ein klares Muster. 47 % der Kinder schlafwandeln, wenn ein Elternteil betroffen ist, und 61 % der Kinder, wenn beide Eltern schlafwandeln. Im Gegensatz dazu schlafwandeln nur etwa 22 % der Kinder, deren Eltern nicht betroffen sind.
  • Schlafentzug: Schlafmangel wurde mit einem erhöhten Risiko für Schlafwandeln in Verbindung gebracht, möglicherweise weil nach einer Phase des Schlafentzugs mehr Zeit im Tiefschlaf verbracht wird.
  • Einige Medikamente: Medikamente mit sedierender Wirkung können die Wahrscheinlichkeit eines Schlafwandelanfalls erhöht (siehe z. B. Schlafwandeln nach der Einnahme von Zolpidem).
  • Alkohol: Der Konsum von Alkohol in den Abendstunden kann dazu führen, dass die Schlafphasen instabil werden und sich das Risiko des Schlafwandelns erhöht.
  • Hirnverletzungen: Krankheiten, die das Gehirn in Mitleidenschaft ziehen, wie etwa eine Enzephalitis (Gehirnentzündung), können ein Auslöser für das Schlafwandeln sein.
  • Fieber: Bei Kindern wurde festgestellt, dass Fieber die Wahrscheinlichkeit des Schlafwandelns erhöht.
  • Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS): Die obstruktive Schlafapnoe ist durch kurze Atempausen während des Schlafs gekennzeichnet, die dutzende Male pro Nacht auftreten können. Sie führen zu Schlafunterbrechungen, die Schlafwandeln zur Folge haben können.
  • Restless-Legs-Syndrom (RLS): RLS ist eine Art von Schlafstörung, die einen starken Drang verursacht, die Beine im Liegen zu bewegen. Es hat nächtliche Erregungszuständen zur Folge, die zu Schlafwandelepisoden führen können.
  • Stress: Verschiedene Arten von Stress können zu einem gestörten Schlaf führen und die Neigung zum Schlafwandeln erhöhen. Stress kann physischer oder emotionaler Natur sein und auch mit Veränderungen verbunden sein, beispielsweise wenn man verreist und an einem ungewohnten Ort schläft.

Bei Kindern verliert sich das Schlafwandeln nach der Pubertät oft. Die meisten erwachsenen Betroffenen haben es aber bereits in ihrer Kindheit erlebt. Selten tritt Schlafwandeln erst im Erwachsenenalter auf.

Behandlung bei Schlafwandeln

Die Behandlung des Schlafwandelns hängt vom Alter des Patienten, der Häufigkeit des Auftretens und der Gefährlichkeit der Episoden ab. Sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen ist es am besten, das Schlafwandeln mit einem Arzt zu besprechen, der die wahrscheinlichste Ursache feststellen und einen individuellen Behandlungsplan erstellen kann. In ist keine aktive Behandlung erforderlich, da die Episoden nur sporadisch auftreten und weder für den Schlafwandler noch für seine Umgebung ein Risiko darstellen. Mit zunehmendem Alter werden die Episoden häufig seltener, so dass das Schlafwandeln bei manchen Menschen von selbst und ohne spezifische Therapie aufhört. Wenn Maßnahmen erforderlich sind, gibt es eine Reihe von Ansätzen, die in einen Behandlungsplan aufgenommen werden können.

Risikominimierung

Schadensbegrenzung ist ein wichtiger Aspekt für Menschen, die schlafwandeln. Einige Möglichkeiten zur Verringerung des Sicherheitsrisikos sind

  • Scharfe Gegenstände oder Waffen unter Verschluss und außer Reichweite aufbewahren
  • Türen und Fenster schließen und verriegeln
  • Beseitigung von Stolperfallen auf dem Fußboden
  • Installation von Lampen mit Bewegungsmeldern
  • Gegebenenfalls Verwendung eines Tür- oder Bettalarms, der ausgelöst wird, wenn das Schlafzimmer oder das Bett verlassen wird.

Ursachenbehandlung

Wenn das Schlafwandeln mit einer Grunderkrankung wie obstruktiver Schlafapnoe oder dem Restless-Legs-Syndrom zusammenhängt, kann die Behandlung dieser Erkrankung das Schlafwandeln unterbinden. Wenn die Einnahme von Beruhigungsmitteln oder anderen Medikamenten zum Schlafwandeln beiträgt, kann der Arzt empfehlen, die Dosierung zu ändern oder auf ein anderes Medikament umzusteigen.

Antizipatorisches Wecken

Antizipatorisches Wecken ist das gezielte Aufwecken kurz vor einer Schlafwandelepisode, die wahrscheinlich eintreten wird. Da Schlafwandeln an eine bestimmte Schlafphase gebunden ist, tritt es oft jede Nacht zur gleichen Zeit auf. Wenn man die betroffene Person kurz vor dieser Zeit weckt, kann man ein unvollständiges Erwachen verhindern, das Schlafwandeln zur Folge hätte. Bei vielen Kindern hat sich das antizipatorische Wecken als wirksame Methode erwiesen, das Schlafwandeln zu beenden. Es kann auch bei anderen Patienten hilfreich sein, ist aber bei Erwachsenen nicht gut untersucht.

Verbesserung der Schlafhygiene

Schlafhygiene bezieht sich auf die Schlafumgebung und die Schlafgewohnheiten. Eine schlechte Schlafhygiene, wie beispielsweise ein unregelmäßiger Schlafrhythmus oder der Konsum von Koffein oder Alkohol kurz vor dem Schlafengehen, kann zu Schlafproblemen und Schlafentzug beitragen. Außerdem ist es wichtig, eine Matratze zu verwenden, die den eigenen Bedürfnissen entspricht und die Schlafposition und den Körperbau berücksichtigt. Eine bessere Schlafhygiene fördert einen stabilen und zuverlässigen Schlaf und verringert das Risiko von Schlafmangel, das zu Schlafwandeln führen kann.

Kognitive Verhaltenstherapie

Die kognitive Verhaltenstherapie ist eine Form der Gesprächstherapie, die darauf abzielt, negativen Gedanken und Handlungen entgegenzuwirken. Sie hat sich als wirksam bei der Verbesserung des Schlafs erwiesen, indem sie die Art und Weise verändert, wie man über Schlaf denkt. Eine sorgfältige Anwendung in Kombination mit Entspannungstechniken kann helfen, stressbedingtem Schlafwandeln vorzubeugen.

Medikation

Wenn andere Behandlungen nicht wirksam sind, kann versucht werden, das Schlafwandeln mit Medikamenten zu stoppen. Beispiele hierfür sind Benzodiazepine und Antidepressiva. Erste Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass auch Melatonin bei der Behandlung des Schlafwandelns hilfreich sein kann. Jedes Medikament, ob verschreibungspflichtig oder rezeptfrei, hat potenzielle Vorteile und Risiken, und ein Arzt ist am besten in der Lage, zu entscheiden, ob es in der spezifischen Situation angemessen ist.

Sollte man Schlafwandler wecken?

Die meisten Experten raten davon ab, Personen, die sich in einer Schlafwandelepisode befinden, abrupt zu wecken. Da sie sich ihrer Situation nicht bewusst sind, kann ein abruptes Aufwachen Angst, Verwirrung oder Wut auslösen. Wenn möglich, sollten Sie versuchen, die schlafwandelnde Person leicht zu führen: Raus aus der Gefahr und zurück ins Bett. Eine ruhige, beruhigende Stimme und gegebenenfalls eine leichte Berührung können dabei helfen. Wenn Sie eine schlafwandelnde Person aufwecken müssen, versuchen Sie dies so sanft wie möglich zu tun und seien Sie sich bewusst, dass die Person nach dem Aufwachen wahrscheinlich desorientiert ist.

Schlafwandeln: Weitere Informationen

  • Eric Suni: Sleepwalking: What is Somnambulism? sleepfoundation.org
  • Schlafwandeln (Somnambulismus): Ursachen, Auslöser, Symptome, Behandlung. orthomol.com

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  1. […] nicht mehr an Patienten verschreiben werden, die bereits in der Vergangenheit von Episoden des Schlafwandelns oder ähnlichen Auffälligkeiten des Schlafverhaltens betroffen […]

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